Wie lautete das Platt von Gladbeck-Mitte?
Wenkerbogen 23058 (1877)
Seite 1
Transliteration
von Marc Real
Im Winter fliegen die trocknen Blätter durch die Luft herum. | {1.} Im Winter fleigt de dröge Blaar döär de Loach. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Es hört gleich auf zu schneien, dann wird das Wetter wieder besser. | {2.} Ät höärt glick up te schnee’n, dann wöät ‚t Wiär wi biätter. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Thu Kohlen in den Ofen, daß die Milch bald an zu kochen fängt. | {3.} Dau Koahl’n in’n Oahm’n, datt de Mälk boal koak’t. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Der gute alte Mann ist mit dem Pferde durch´s Eis gebrochen und in das kalte Wasser gefallen. | {4.} De oalle Mann iß mit’t Peät düet Iis gebroaken un in’t koalle Waater gefall’n. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Er ist vor vier oder sechs Wochen gestorben. | {5.} He iß vöä veer oader säß Wäcken dood gegoah’n. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Das Feuer war zu heiß, die Kuchen sind ja unten ganz schwarz gebrannt. | {6.} Dat Füür waß te heete, de Kăuken sind jä unner ganz schwatt gebrannt. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Er ißt die Eier immer ohne Salz und Pfeffer. | {7.} He ätt de Eier ümmer oahne Salt un Päpper. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Die Füße thun mir sehr weh, ich glaube, ich habe sie durchgelaufen. | {8.} De Been daut mi weh, ik lööf, ick häff’se kaput geloop’n. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Ich bin bei der Frau gewesen und habe es ihr gesagt, und sie sagte, sie wollte es auch ihrer Tochter sagen. | {9.} Ick sie bie de Frau gewessen un häff’t öär gesaggt un se sagg, se wullt ook öäre Doachter seggen. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Ich will es auch nicht mehr wieder thun! | {10.} Ick will’t ook nich mä dau’n. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Ich schlage Dich gleich mit dem Kochlöffel um die Ohren, Du Affe! | {11.} Ick schloah di gliik met den Koakliapel üm de Oahr’n <Oahren>, du Aape. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Wo gehst Du hin? Sollen wir mit Dir gehn? | {13.} Woa geejße henn, sack metgoah’n? {dt. Wo gehst du hin, soll ich mitgehen?} | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Es sind schlechte Zeiten. | {19.} Ät sind schlächte Tiiden. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Mein liebes Kind, bleib hier unten stehn, die bösen Gänse beißen Dich todt. | {14.} Miin leiwe Kind, blief hier unn’n stoahn, de böäse Gööse biet’t die dood. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Du hast heute am meisten gelernt und bist artig gewesen, Du darfst früher nach Hause gehn als die Andern. | {15.} Du häß van Daage am meesten geläart un büß aarig gewessen, du darf’s ähr noa Huus goahn, as de Annern. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Du bist noch nicht groß genug, um eine Flasche Wein auszutrinken, Du mußt erst noch ein Ende wachsen und größer werden. | {16.} Du büß noa nich groot genaugt {um eine Flasche Wein auszutrinken fehlt}, du moß ers noach en Enne wassen un gröätter wäär’n. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Geh, sei so gut und sag Deiner Schwester, sie sollte die Kleider für eure Mutter fertig nähen und mit der Bürste rein machen. | {17.} Goah, sie so gued un segg dien Süster, se soll de Kleeder föä öäh Mooder feerig neih’n un met en Boassel rein maken. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Hättest Du ihn gekannt! dann wäre es anders gekommen, und es thäte besser um ihn stehen. | {18.} Hässe äm gekannt! dann wöäd[t] anners gekomm’n un ät wöär bätter met äm stoah’n. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Wer hat mir meinen Korb mit Fleisch gestohlen? | {12.} We hätt mi den Koarf met Fleesg gestoahl’n? | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Er that so, als hätten sie ihn zum dreschen bestellt; sie haben es aber selbst gethan. | {20.} He dääh so, as hadd’n se äm tom Sachen bistallt, se häwwt ät oawwer sölfs gedoahn. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Wem hat er die neue Geschichte erzählt? | {21.} Wenn hät äm {dt. ihm} de nigge Geschichte vätallt? | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Man muß laut schreien, sonst versteht er uns nicht. | {22.} Man maut harr raupen, süß vöästeht’n us nich. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Wir sind müde und haben Durst. | {23.} Wie sind mei un häfft Doaß. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Als wir gestern Abend zurück kamen, da lagen die Andern schon zu Bett und waren fest am schlafen. | {24.} As wi gistern Oaw’nd trügge kämen, lachen de Annern al inn’n Berr un wassen fast am schloapen. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Der Schnee ist diese Nacht bei uns liegen geblieben, aber heute Morgen ist er geschmolzen. | {25.} De Schnee iß düsse Nacht bie us liggen gebliew’n oawer va Moargen isse geschmolten <geschmoalten>. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Hinter unserm Hause stehen drei schöne Apfelbäumchen mit rothen Aepfelchen. | {26.} Achter ussen Huse stoaht drei schöne Appelböömkes met roe Äppelkes. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Könnt ihr nicht noch ein Augenblickchen auf uns warten, dann gehn wir mit euch. | {27.} Könn i nich noah’n Oogenblicksken up up wachten, dann goah wie met ink. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Ihr dürft nicht solche Kindereien treiben! | {29.} It dröfft söcke Kinnerien nich driew’n. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Unsere Berge sind nicht sehr hoch, die euren sind viel höher. | {28.} Use Biäärg sind nicht ganz hooge, de inken sind völl höger. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Wieviel Pfund Wurst und wieviel Brod wollt ihr haben? | {30.} Wuvöll Pund Woaße {und wieviel Brot fehlt} will i häww’n? | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Ich verstehe euch nicht, ihr müßt ein bißchen lauter sprechen. | {31.} Ick västoah ink nich, it meit ’n bittken hädder küür’n. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Habt ihr kein Stückchen weiße Seife für mich auf meinem Tische gefunden? | {32.} Häw i kin Stücksken Seepe föä mi up minen Disg gefunn’n? | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Sein Bruder will sich zwei schöne neue Häuser in eurem Garten bauen. | {33.} Sien Broor will sick twe nigge schöne Hüser in inken Gaarn bau’n. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Das Wort kam ihm von Herzen! | {34.} Dat Woart kamm äm vant Hatte. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Das war recht von ihnen! | {38.} Datt waß räch vann öähr! | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Was sitzen da für Vögelchen oben auf dem Mäuerchen? | {35.} Wat sind dat föä Vüegel doa boawen up dat Müeken? | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Die Bauern hatten fünf Ochsen und neun Kühe und zwölf Schäfchen vor das Dorf gebracht, die wollten sie verkaufen. | {36.} De Buuer’n hadd’n fief Ossens un niegen Keih un twöälf Schoape vöä’t Doarp gebracht, de wull’n se väkoop’n. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Die Leute sind heute alle draußen auf dem Felde und mähen. | {37.} De Lü sind van Dage alle buuten upp’m Fell'[l] am meih’n. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Geh nur, der braune Hund thut Dir nichts. | {o. A.} | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Ich bin mit den Leuten da hinten über die Wiese ins Korn gefahren. | {o. A.} |
Seite 2
Transliteration
von Marc Real
Ort: Gladbeck. |
Kreis: Recklinghausen. |
Name des Lehrers: S. Schlieper. |
Geburtsort des Lehrers: Albersloh b[ei] Münster. |
1. Geschah die Uebersetzung […] Unter Zuziehung eines erfahrenen Mannes. |
2. Lautet in dem in Ihrer Schulgemeinde ortsüblichen Dialekte das g im Anfang der Wörter (z. B. in den plattdeutschen Wörtern für gut, geben, groß, graben, glauben, glücklich) […] wie ch[.] |
3. […] g in fragen, Kugel, Auge und [] g in Kegel, kriegen, eigentlich [] sind […] sämmtlich in der Aussprache fast gleich[.] |
NB. Das oa, öä ist stets in innigster Verbindung mit einander zu sprechen. Es soll jenen eigenthümlichen Laut vorstellen, wofür ich kein anderes Zeichen weiß, gleichsam ein Mittelding zwischen a und o. |
Die Wenkerbögen wurden bereitgestellt vom Forschungszentrum Deutscher Sprachatlas an der Philipps-Universität Marburg und lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International Lizenz.
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