Wie lautete das Platt von Mülheim an der Ruhr-Speldorf?
Wenkerbogen 22905 (27. Januar 1885)
Seite 1
Transliteration
von Marc Real
Im Winter fliegen die trocknen Blätter durch die Luft herum. | Em We-͡inter fli-͡egen die drüch Ble-er dor die Luf heröm. <Blätter am Kohl = Blaar> | ||||||||||||||
Es hört gleich auf zu schneien, dann wird das Wetter wieder besser. | Et hüet gelik op te schne-͡ien, da wett et Wehr wier beeter. | ||||||||||||||
Thu Kohlen in den Ofen, daß die Milch bald an zu kochen fängt. | Du͡n Kohlen en dänn Owen, dat de Melk boll an de koken kömb {dt. kommt}. | ||||||||||||||
Der gute alte Mann ist mit dem Pferde durch´s Eis gebrochen und in das kalte Wasser gefallen. | De godden aule Mann öß met et Pät dorr et Ihß gebroken, on in et kaul Water gefallen. | ||||||||||||||
Er ist vor vier oder sechs Wochen gestorben. | He ös förr vier off sähß Weeken gestorwen. | ||||||||||||||
Das Feuer war zu heiß, die Kuchen sind ja unten ganz schwarz gebrannt. | Et Führ wu-͡ahr de gräll {dt. hell, stark}, de Ku͡oken ßind jo o-͡uhm ganz schwatt gebrannt. | ||||||||||||||
Er ißt die Eier immer ohne Salz und Pfeffer. | He ett de Eier ümmer u-͡ohm ßault un Peper. | ||||||||||||||
Die Füße thun mir sehr weh, ich glaube, ich habe sie durchgelaufen. | De Fühten donnt me arg wiäh, ek glöf, ek häbb se du-͡or gelo-͡upen. | ||||||||||||||
Ich bin bei der Frau gewesen und habe es ihr gesagt, und sie sagte, sie wollte es auch ihrer Tochter sagen. | Ek ßin be-͡i die Frau gewes on häbb et er gesach; on ße ßach, ße wu-͡oll et ohk ehr Dochter ßäggen. | ||||||||||||||
Ich will es auch nicht mehr wieder thun! | Ek well et o-͡uk ne miähr du͡ohn. | ||||||||||||||
Ich schlage Dich gleich mit dem Kochlöffel um die Ohren, Du Affe! | Ek schlohn je g’lik memm Koklepel öm de O-͡uhren, do-͡u Apen. | ||||||||||||||
Wo gehst Du hin? Sollen wir mit Dir gehn? | Wo gehß do-͡u hen, ßölle we met sche gohn? | ||||||||||||||
Es sind schlechte Zeiten. | Et ßind schächte Ti-en. | ||||||||||||||
Mein liebes Kind, bleib hier unten stehn, die bösen Gänse beißen Dich todt. | Min lie-͡f Keend, blief hie o-͡uhnen schtohn, die freche Gausen bieten sche du-͡at. | ||||||||||||||
Du hast heute am meisten gelernt und bist artig gewesen, Du darfst früher nach Hause gehn als die Andern. | Do-͡u hes van Dahg et mesten geliäht on büß adig gewees, do-͡u darfs i-͡ähr he-͡im gohn as de ahnern. | ||||||||||||||
Du bist noch nicht groß genug, um eine Flasche Wein auszutrinken, Du mußt erst noch ein Ende wachsen und größer werden. | Do-u büß noch ne gru-͡at genoch, üm en Fläsche Wien uttedrinken, do-͡u moß i-͡ähr en Ent wahßen on grötter wäden. | ||||||||||||||
Geh, sei so gut und sag Deiner Schwester, sie sollte die Kleider für eure Mutter fertig nähen und mit der Bürste rein machen. | Gohn, ßi ßo gott on ßäch din ßöster, et ßo-͡ul die Kle-͡ider förr engke Moder fädich neihen on mimm Bossel re-͡in maken. | ||||||||||||||
Hättest Du ihn gekannt! dann wäre es anders gekommen, und es thäte besser um ihn stehen. | Hätts do-͡u öm gekahnt! dann wü-͡ehr et ahnes gekommen, on et di-͡ät bäter öm en schtohn. | ||||||||||||||
Wer hat mir meinen Korb mit Fleisch gestohlen? | We heht me-͡i minnen Korf met Fle-͡isch gesto-͡uhlen? | ||||||||||||||
Er that so, als hätten sie ihn zum dreschen bestellt; sie haben es aber selbst gethan. | He di-͡et, eß hädde ße ömm tomm Daschen bestault; ßei häwen ät eewel sälwes gedohn. | ||||||||||||||
Wem hat er die neue Geschichte erzählt? | Wenn heht he die ne-͡i Geschechte vertault? | ||||||||||||||
Man muß laut schreien, sonst versteht er uns nicht. | Me mott hat schreien, ßöß verste-͡iht he uß ni-͡e. | ||||||||||||||
Wir sind müde und haben Durst. | We-͡i ßünd mü-͡ed on häwen Do͡-es. | ||||||||||||||
Als wir gestern Abend zurück kamen, da lagen die Andern schon zu Bett und waren fest am schlafen. | Es we-͡i chiester Omet trück ko-͡amen, do lo-͡agen die Ahnern all em Bätt on wu-͡aren faß em Schlop {dt. im Schlaf}. | ||||||||||||||
Der Schnee ist diese Nacht bei uns liegen geblieben, aber heute Morgen ist er geschmolzen. | Dä Schni-͡e öß van der Nach be-͡i uß legge geblewen, ewel va Morgen öß he geschmo-͡ulten. | ||||||||||||||
Hinter unserm Hause stehen drei schöne Apfelbäumchen mit rothen Aepfelchen. | Achter usen Huhßen schto-͡und dre-͡i nätte Appelbö-͡ümkes met roat Äppelsches. | ||||||||||||||
Könnt ihr nicht noch ein Augenblickchen auf uns warten, dann gehn wir mit euch. | Könne chett ni-͡e noch en bettschen op us wachten, da chont we met engk. | ||||||||||||||
Ihr dürft nicht solche Kindereien treiben! | Chett dörwen ni-͡et ßon Ke-͡inere-͡ien driewen. | ||||||||||||||
Unsere Berge sind nicht sehr hoch, die euren sind viel höher. | Uß Berg ßind net arg ho-͡ach, de eng-ken ßind völl högger. | ||||||||||||||
Wieviel Pfund Wurst und wieviel Brod wollt ihr haben? | Wo völl Punt Woß un wo völl Broad welle chett häwen <(ä kurz)>. | ||||||||||||||
Ich verstehe euch nicht, ihr müßt ein bißchen lauter sprechen. | Eck verstohn engk ni-͡e, chett mötten en bettschen hädder kallen. | ||||||||||||||
Habt ihr kein Stückchen weiße Seife für mich auf meinem Tische gefunden? | Häwe chett ni-͡e en Schtöksken ßeipen förr me op minnen Desch gefo-unen? | ||||||||||||||
Sein Bruder will sich zwei schöne neue Häuser in eurem Garten bauen. | ßin Bro-͡ur well ßech twi-͡e nätte ne-͡i Hüser en engke Gaden bauen. | ||||||||||||||
Das Wort kam ihm von Herzen! | Dat Wo-͡ut ku-͡am em van Hatten. | ||||||||||||||
Das war recht von ihnen! | Dat wo-͡ar räch van ehr. | ||||||||||||||
Was sitzen da für Vögelchen oben auf dem Mäuerchen? | Watt ßetten do förr Vü-͡elsches bowen op et Mü-͡erken? | ||||||||||||||
Die Bauern hatten fünf Ochsen und neun Kühe und zwölf Schäfchen vor das Dorf gebracht, die wollten sie verkaufen. | De Buren hadden fiev Ossen on ne-͡ge Kö-͡üh on twälf Schöppkes för et Dörp gebrach, die wo-͡ulen ße verko-͡upen. | ||||||||||||||
Die Leute sind heute alle draußen auf dem Felde und mähen. | De Lüt ßind van Dahg ahl derbuhten om Fä-͡il on meihen. | ||||||||||||||
Geh nur, der braune Hund thut Dir nichts. | Goh märr, denn brune Ho-͡und de-͡it sche nicks. | ||||||||||||||
Ich bin mit den Leuten da hinten über die Wiese ins Korn gefahren. | Ek ßin met de Lüt do achter öwer de Wiesche en et Kohn <(o wie in Orgel)> gefahren. |
Seite 2
Transliteration
von Marc Real
Schulort: Speldorf |
Kreis etc.: Mülheim a/d Ruhr |
Regierungs-Bezirk: Düsseldorf |
Staat: Preußen. |
Name des Lehrers Peter Schweden |
Geburtsort des Lehrers Odenkirchen |
im Reg.-Bezirk etc., Staat Düsseldorf [Preußen] |
[…] |
1. Geschah die Uebersetzung […][.] durch einen Speldorfer, wurde vom Lehrer geschrieben. |
2. Lautet in dem in Ihrer Schulgemeinde ortsüblichen Dialekte das g im Anfange der Wörter (z. B. in den mundartlichen Wörtern für gut, geben, groß, graben, glauben, glücklich) […] wie leises ch […][.] |
3. […] g in Kugel, Augen, fragen und [] g in Kegel, kriegen, biegen, zeigen [] sind […] sämmtlich in der Aussprache fast gleich[.] (sind fast gleich) |
4. Lautet st, sp in den mundartlichen Wörtern für Stall, stellen, sprechen, Spiel etc. wie scht-, schp- […][.] |
5. Ist sch in den mundartlichen Wörtern für fischen, waschen, Flasche etc. ein einziger Laut […][.] |
6. Wird das r in roth, rund etc. […] hinten im Munde gebildet[.] |
7. Unterscheiden die Schüler von selbst oder erst, nachdem sie ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht worden sind, folgende Laute: |
a. g und ch in zeigen und Zeichen, […] nein[.] |
b. s und ß in reisen und reißen, von selbst […][.] |
c. dr und tr in drehen, drüber und treten, trauen, von selbst […][.] |
d. gr und kr in Greis und Kreis, von selbst […][.] |
8. Haben die Einwohner Ihres Schulortes noch eine ausgeprägte Volkstracht? |
a) die Männer? nein. b) die Frauen? nein |
9. Wie lautet der Name des Schulorts in dortiger Mundart? und zwar: |
a) alleinstehend = Schpeilerop |
b) in dem Satze: er wohnt in …. = Schpeilerop (das „o“ gesprochen wie in dem Worte Kopf.) |
Schpeilerop de ßewen on twentichsten Januar ach teh[n] ho-͡uhnet fief on achßich [dt. Speldorf, den 27. Januar 1885]. Das „S“ als Anlaut wird sehr oft wie ein „ß“ [gesprochen.] Das „Z“ [als Anlaut wird sehr oft wie ein] „S“ [gesprochen.] Das „J“ [als Anlaut wird sehr oft wie ein] „Sch“ gesprochen. |
Die Wenkerbögen wurden bereitgestellt vom Forschungszentrum Deutscher Sprachatlas an der Philipps-Universität Marburg und lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International Lizenz.
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